Ein Vorbild für die Menschen. Rede zum 100. Geburtstag von Karl Müller

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Der stv. Bürgermeister und SPD-Fraktionsvorsitzende Udo Rössler hat anlässlich des 100. Geburtstags von Karl Müller am 9. Juni 2023 folgende Rede gehalten:

Lieber Karl,

herzlichen Glückwunsch zu Deinem 100. Geburtstag.

Für die Stadt Süßen (in Vertretung unseres verhinderten Bürgermeisters Marc Kersting), für Deinen SPD-Ortsverein und Deine SPD-Gemeinderatsfraktion darf ich Dir heute zu diesem unglaublichen Geburtstag gratulieren und Dir alles Gute wünschen.

Liebe Familie Müller, liebe Bundestagsabgeordnete Heike Baehrens, sehr geehrter Herr Landrat Wolff, lieber Rolf Karrer, liebe amtierende und ehemalige Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats, liebe Geburtstagsgäste,

dass wir heute diesen 100. Geburtstag in Süßen feiern können, verdanken wir einem Missverständnis, genauer gesagt der Schwerhörigkeit eines Bahnbeamten. Karl Müller hatte Textilingenieur studiert. Nach Krieg, Gefangenschaft und Vertreibung suchte er einen beruflichen Neuanfang und hatte das für seine Textilindustrie bekannte Göggingen bei Augsburg im Blick. Doch der Schalterbeamte verstand „Göppingen“ und so fand der Mann, den wir heute ehren, seinen Weg ins Filstal und nach Süßen.

Was für ein Glücksfall!
Ein Glücksfall für Dich, lieber Karl. Denn Du hast, in Süßen rasch Fuß gefasst, eine Familie gegründet und Dir zunächst mit einer kleinen Weberei den Lebensunterhalt verdient. Die Musik war es, so hast Du immer wieder erzählt, die Dir das Eingewöhnen am neuen Lebensort erleichtert hat. Musiziert wurde gemeinsam mit den Nachbarn, in der Flüchtlingskapelle der Ungarndeutschen und dann in der eigenen Tanzkapelle, die oft hier im Hirsch-Saal bei Hochzeiten aufspielte.

Ein Glücksfall auch für Süßen. Denn Du, Karl, hast an deinem neuen Heimatort sofort Verantwortung übernommen. Im Flüchtlingsausschuss, als stellvertretender Vorsitzender des Musikvereins, als Mitbegründer der Arbeiterwohlfahrt. Du wurdest Vorsitzender des SPD-Ortsvereins und dann 1965 in den Gemeinderat gewählt. 34 Jahre lang hast Du Kommunalpolitik gemacht, davon fast drei Jahrzehnte als SPD-Fraktionsvorsitzender und viele Jahre als erster stellvertretender Bürgermeister.

Es waren für die damalige Gemeinde Süßen wichtige, auch konfliktreiche Jahre, die Du mit politischem Gespür, Willen und Überzeugungskraft mitgestaltet hast: Viele Initiativen gingen von Dir und der SPD-Fraktion aus. Bürgerhaus, Bücherei im Amtshaus, Zehntscheuer oder die Wilhelmshilfe im Zentrum und nicht am Stadtrand – vieles musste oft gegen Widerstände erstritten werden. Auch die Integrationsarbeit mit Ausländerbeirat und Europafest oder die Aufarbeitung der NS-Zeit in Süßen und die Begegnung mit Überlebenden der jüdischen Familie Lang waren für Dich prägende und auch berührende Ereignisse.

Dein jahrzehntelanges Engagement für Süßen war enorm und wirkt bis heute nach. So gratulieren Stadt, Gemeinderat und Bürgerschaft an diesem Tag einem Mitbürger, der sich in herausragender Weise für unser Gemeinwesen verdient gemacht hat.

Der SPD-Ortsverein Süßen gratuliert seinem langjährigen Vorsitzenden und heutigen Ehrenvorsitzenden. 1949, im Gründungsjahr der Bundesrepublik, bist Du in unsere SPD eingetreten, wurdest Vorsitzender unseres Ortsvereins und bist es 27 Jahre lang geblieben.
1964 stehst Du bei der größten politischen Veranstaltung in Süßen vor 4.000 Menschen auf dem Podium vor dem Rathaus neben Willy Brandt. Was für ein Augenblick! Mit der Aufbruchstimmung in Gesellschaft und Politik gewinnt die SPD in den 1970er-Jahren an Zustimmung und auch in Süßen neue Mitglieder. Viele hast Du, lieber Karl, selbst angesprochen und zu einem Beitritt bewegt: Mit deiner Zuwendung zu den Menschen und dem leisen, aber durchdringenden Appell, dass man sich zu engagieren hat für das Gemeinwesen.

Udo Rössler (li.) würdigt den Kommunalpolitiker Karl Müller (re.), vorne Bürgermeister a.D. Rolf Karrer und Frau (Foto: Heike Baehrens)

Der SPD-Ortsverein ehrt Dich zu Deinem 100. Geburtstag mit einer Plakatausstellung von Klaus Staeck, die im Rathaus zu sehen ist. Und als Geschenk haben wir für Dich bei der Kulturhalle einen Baum gepflanzt. Möge er wachsen und die Erinnerung an Dein so reiches Leben wachhalten.

Die SPD-Fraktion gratuliert ihrem langjährigen Vorsitzenden, der über 34 Jahre ihr Herz, Kopf und Gesicht war. „Gute Politik ist, was den Menschen nützt“: Das hat Dich, Karl, immer geleitet und Dir hohe Anerkennung bei den Bürgerinnen und Bürgern eingebracht.
Bei der Wahl 1971 erhältst Du die meisten Stimmen, 1989 wird die SPD stärkste Fraktion. Als frisch gewählter Gemeinderat hat mich damals die hohe Disziplin in der Fraktionsarbeit beeindruckt. „Wir müssen handwerklich gut sein“, hast Du uns Jüngeren mitgegeben und damit gemeint: Eine Position erarbeiten, sorgfältig begründen, konsequent vertreten und sich von Niederlagen nicht entmutigen lassen.
Unvergessen sind auch unsere Fraktionsausflüge ins Elsass. Oder an den Hohentwiel, wo wir uns mit viel Spaß unter eine Hochzeitsgesellschaft gemischt haben.

An Ehrungen, lieber Karl, hat es Dir nicht gefehlt. Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat Dir das Bundesverdienstkreuz verliehen, die Stadt Süßen ehrte Dich mit der J.-G.-Fischer-Bürgermedaille, die SPD mit ihrer höchsten Auszeichnung, der Willy-Brandt-Medaille.
Aber die größte Anerkennung für Dich, lieber Karl, ist, dass Du von so vielen geliebt, geschätzt und verehrt wirst. Dass Du mit Deinem Leben, Deinem Engagement in der und für die Demokratie, ein Vorbild bist. Ein Vorbild für das sich Kümmern um seine Mitmenschen und ihre Nöte. Ein Vorbild dafür einzustehen, dass alle Menschen mit gleicher Würde und gleichen Rechten ausgestattet sind. Dafür, dass es sich lohnt für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität einzutreten, wo immer sie bedroht werden.

So wünsche ich Dir, dem Jahrhundertmann, unserem hochgeehrten Mitbürger, unserem lieben Freund und Wegbegleiter von Herzen alles Gute. Mögest du noch lange, gesund, zufrieden und mit wachem Geist in unserer Mitte sein.


Karl Müller (re.) beim Platzkonzert des Musikvereins Süßen, im Hintergrund u.a. die Stadträte Eberhard Herrmann und Ute Schäfer, Heike Baehrens, MdB, Landrat Edgar Wolff und Bürgermeister a.D. Rolf Karrer (Foto: Udo Rössler)