Einwohnerversammlung: Keine Zeit für Abenteuer. Vieles spricht gegen die Entwicklung des IKG Auen

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Die leider nur mäßig besuchte Einwohnerversammlung am vergangenen Mittwoch stand überwiegend im Zeichen der Gewerbeflächenentwicklung. Für die SPD-Fraktion stellte Udo Rössler nochmals die Argumente dar, die gegenwärtig gegen ein Gewerbegebiet in den Auen (IKG Auen) sprechen:

„Kaum diskutiert wurde am Runden Tisch die wichtigste Frage: Wie viel Flächenverbrauch können wir uns in Zeiten der Klimawandels noch leisten? Er wird unsere Art zu Leben und zu Wirtschaften gravierend verändern. Nachfolgende Generationen sollten dafür Handlungsspielräume haben und reagieren können. Die ausufernde Wohnbebauung in den Rabenwiesen konnten wir nicht verhindern. Mit dem IKG Auen würde eine der letzten freien Flächen im Außenbereich verbaut. Sie ist ökologisch wertvoll und wird landwirtschaftlich genutzt.

Aus der Unternehmensbefragung 2021 wissen wir, dass die Süßener Firmen weniger der Mangel an Gewerbeflächen umtreibt, sondern der Mangel an Fachkräften und schnellem Internet. Heute sorgen sie sich noch dazu um Energiekosten, Materialmangel, Inflation und steigende Zinsen. Alles keine guten Rahmenbedingungen für Investitionsentscheidungen!

Eine zentrale Schwäche des Gutachtens zum künftigen Gewerbeflächenbedarf ist, dass dabei im Wesentlichen der Trend der Vergangenheit fortgeschrieben wird. Dabei ist der Strukturwandel in vollem Gang. Allein in Süßen ging der Anteil der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe in zehn Jahren (2008/2018) um 15 Prozent zurück – und das in einer Phase der Hochkonjunktur. Neue Arbeitsplätze sind entstanden: Der Anteil der Beschäftigten in unternehmensnahen Dienstleistungen ist um mehr als 10 Prozent gewachsen. Das sind z.B. Ingenieurgesellschaften und IT-Spezialisten, die überall im Bestand unterkommen können.

Ja, wir brauchen weiterhin Arbeitsplätze in der Industrie. Helfen würde es schon mal, wenn Unternehmen im Filstal ihre Produktion nicht nach Tschechien, in die Türkei oder sonst wohin verlagern. Die Arbeitsplätze wandern ins Ausland, weil dort billig produziert werden kann – und nicht weil hier Gewerbeflächen fehlen.

Noch ein Wort zur Gewerbesteuer: Früher waren die großen Firmen die starken Gewerbesteuerzahler. Heute ist das anders. Aus den Zahlen der Kämmerei wissen wir: Unter den zehn besten Zahlern sind viele Dienstleistungsbetriebe, die kaum einer kennt, mitten im Ort und mit oft nur einer Handvoll Mitarbeitern. Gute Gewerbesteuerzahler gibt es also nicht nur in Gewerbegebieten.

Was leiten wir aus diesen Fakten ab? Zunächst sollten wir vorhandene Potentiale und die Innenentwicklung angehen. Schrumpfende Betriebe geben neue Flächen frei. Sie können durch kluges Flächen- und Leerstandsmanagement von Stadt und Eigentümern aktiviert werden. So könnten auch Synergien geschaffen werden, um Standorte mit verarbeitendem Gewerbe zu stärken.

Und an untergenutzten Standorten passiert ja bereits viel: Ein Beispiel ist die Spindelfabrik, wo jüngst freigewordene Flächen weitervermietet wurden, auch für Produktionsbetriebe. In den Schelmenwasen gibt es neue Nutzungen, weil dort Firmen Flächen nicht mehr benötigen. Diese Veränderungspotentiale wurden im Gutachten gar nicht berücksichtigt. Und auch auf dem GIBBs-Gelände gegenüber der Kulturhalle wird sich in den nächsten Jahren viel bewegen.

Brauchen wir also das IKG Auen? Dort werden sich netto vielleicht 4-5 Hektar Gewerbefläche ergeben. Für neue Produktionsbetriebe im Zuge der Transformation ist das zu klein. Es ist deshalb für kleineres Gewerbe vorgesehen. Für Betriebsverlagerungen von einem bestehenden Standort sind die Flächen aber zu wertvoll. Wir dürften sie auch nicht vorrangig an Süßener Betriebe vergeben. Das würde im Übrigen auch keine neuen Gewerbesteuerzahler bringen.

Lassen sich neue Firmen nach Süßen holen? Im Kreis Göppingen kosten unbebaute Gewerbeflächen zwischen 70 – 130 Euro/m² – Tendenz gleichbleibend. Offensichtlich ist die Nachfrage nicht so groß, sonst würden die Preise steigen. Schon im gescheiterten Gewerbepark Lautertal glaubte Bürgermeister Stölzle den Quadratmeter für 150 Euro verkaufen zu können. Für das IKG Auen fängt unser Bürgermeister im kleinen Kreis auch schon mal zu rechnen an: Bei der aktuellen Kostenentwicklung könnte am Schluss ein Verkaufspreis von 200 Euro/m² herauskommen.

Süßen ist attraktiv, aber in Punkto Gewerbeflächen nicht der Nabel der Welt. 200 Euro/m² zahlt man schon an Gewerbestandorten nahe der Autobahn bei Stuttgart. Mutig, wer daran glaubt, dass wir diesen Preis realisieren können – insbesondere in Zeiten großer wirtschaftlicher Unsicherheiten und einer drohenden Rezession. Im schlimmsten Fall bleiben wir auf den Grundstücken sitzen oder müssen sie unter Wert verkaufen.

Wir wollen wissen, was uns das IKG Auen genau kostet und ob es sich lohnt, damit an den Markt zu gehen. Alle Fakten müssen auf den Tisch, um gut entscheiden zu können. Wir sollten deshalb eine Voruntersuchung machen. Diese ist auch ohne vorherigen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan möglich.

Das ist unser Vorschlag. Darüber sollten wir im Gemeinderat diskutieren, bevor wir uns in ein riskantes Abenteuer stürzen!