Zur Diskussion um die Gewerbeflächenentwicklung im Gemeindeverwaltungsverband hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Udo Rössler in der Gemeinderatssitzung am 11. November wie folgt Stellung genommen:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kersting,
liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
„Selbstverständlich ist es wichtig, mit den Ressourcen und der Natur sorgsam umzugehen, aber was hat dies Süßen in den vergangenen Jahren gebracht?“. Das hat uns am Wochenende ein Süßener Bürger vorwurfvoll geschrieben.
Es mutet schon etwas grotesk an, wenn sich heute Kommunalpolitiker, die auch nachfolgenden Generationen ein gutes Leben auf diesem Planeten und konkret hier in Süßen sichern wollen, rechtfertigen müssen.
Aber die Frage des Bürgers lässt sich einfach beantworten. Es hat nichts gebracht, denn wenn wir die politischen Diskussionen und Entscheidungen der letzten Jahrzehnte auf allen politischen Ebenen anschauen, müssen wir feststellen: Es wurde viel zu wenig unternommen, um Natur, Umwelt und das Klima effektiv zu schützen. Die Bundesrepublik Deutschland wird ihre vertraglichen Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzprotokoll schlichtweg nicht erfüllen können.
Der Klimawandel ist Fakt – das konnten die letzten Zweifler in den letzten Sommern erleben, die uns Hitzerekorde, massive Waldschäden und Ernteausfälle auch hier vor Ort beschert haben.
Natur, Landschaft und biologische Vielfalt sind durch den fortschreitenden Flächenverbrauch für Wohnen, Gewerbe und Verkehr massiv bedroht. Dabei wissen wir: Offene Flächen (Böden) sind ein natürlicher CO2-Speicher. Eine weitere Versiegelung bedeutet eine Verhinderung der Speichermöglichkeit des Klimagases.
Der tägliche Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland in den Jahren 1997 bis 2000 betrug im Schnitt 129 Hektar (ha), das entspricht etwa 180 Fußballfeldern, am Tag. Zwar ging der durchschnittliche tägliche Anstieg in den Jahren 2014 bis 2017 auf 58 ha zurück; wir sind aber weit davon entfernt, mit unseren Flächen verantwortlich und nachhaltig umzugehen.
2002 hat die Bundesregierung im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel vorgegeben, den täglichen Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar zu reduzieren. 2016 hat man sich, wissend dass man das Ziel verfehlen würde, ein neues Ziel gesetzt: bis zum Jahr 2030 soll jetzt der Flächenverbrauch auf „weniger als 30 Hektar“ am Tag begrenzt werden. Man darf gespannt sein, wann die nächste Anpassung der Ziele erfolgt.
Wir liegen heute jedenfalls immer noch bei fast dem Doppelten. Der Flächenverbrauch schreitet munter voran. Die Folgen lassen sich auch in unserer Raumschaft beobachten: Wer vom Staufeneck, Messelberg oder Hohenstein schaut, sieht, welche Eingriffe allein die neuen Bundesstraßen verursacht haben.
Der neue Flächennutzungsplan des Gemeindeverwaltungsverbands bremst diese Entwicklung nicht aus, sondern verstärkt sie noch: Immer mehr Naturräume und landwirtschaftlich genutzte Flächen gehen verloren. Soll das immer so weitergehen?
Bei der Umweltprüfung der beiden neuen Gewerbegebiete haben uns die Umweltbehörden und Fachleuten ins Stammbuch geschrieben: Dort werden wertvolle natürliche Böden sowie Flächen von mittlerer bis sehr guter Eignung für landwirtschaftliche Nutzung versiegelt, was sich kaum kompensieren lässt.
Wo sollen die von uns allen gewünschten regionalen Lebensmittel herkommen, wenn immer weniger Flächen zur Verfügung stehen und Landwirte in ihrer Existenz bedroht sind?
Wir sind deshalb überzeugt, dass wir bei der Flächenentwicklung behutsamer, nachhaltiger und überlegter vorgehen müssen.
Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Ausweisung neuer Gewerbegebiete. Wir wollen modernen, zukunftsfähigen Unternehmen mit hoher Wertschöpfung Entwicklungsperspektiven bieten. Und uns ist auch bewusst, dass jede Kommune wichtige Einnahmen aus der Gewerbesteuer erzielt.
Wenn wir heute erneut um den Gewerbepark Lauter und das IKG Auen diskutieren, sind wir weiter kompromissbereit. Es geht für uns darum, in welchem Umfang, in welchem Tempo und mit welcher Qualität wir die letzten größeren Gewerbeflächen, die wir im Gemeindeverwaltungsverband haben, entwickeln wollen. Und es geht darum, nachfolgenden Generationen auch noch Gestaltungsmöglichkeiten und Entscheidungsspielräume zu lassen.
Den Gewerbepark Lautertal, der im Flächennutzungsplan mit 28 ha ausgewiesen ist, sehen wir als Einstieg in eine gemeinsame Entwicklung von Gewerbeflächen. Donzdorf, Süßen, Gingen und Lauterstein können die Flächen gemeinsam vermarkten und gemeinsam davon profitieren. Der Gewerbepark muss jedoch modernsten ökologischen Standards genügen, die – wie auch die Ansiedlungs- und Vermarktungskriterien – in einem Masterplan beschrieben werden müssen. Wir gehen davon aus, dass die Verwaltung mit dem städtebaulichen Rahmenplan (mit Leitbild), wie sie es in ihrem Beschlussvorschlag formuliert hat, dasselbe meint. Wir können dem zustimmen.
Es gibt in Deutschland gute Beispiele und innovative Ideen, wie Gewerbegebiete heute gestaltet werden können. Wir beantragen deshalb, dass Süßen in der Zweckverbandsversammlung darum bittet, mit dem Büro der Internationalen Bauausstellung 2027 in Stuttgart Kontakt aufzunehmen, um Fachleute für eine entsprechende Präsentation in der Verbandsversammlung zu gewinnen. Zudem regen wir an, ein entsprechend vorbildlich gestaltetes Gewerbegebiet bei einer Exkursion zu besichtigen.
Leider hat die Verbandsspitze keinerlei Bereitschaft signalisiert, dem Beschluss der Stadt Süßen nachzukommen, zunächst nur rund die Hälfte der Fläche zu entwickeln und das auch im Haushaltsplan des Zweckverbands Lautertal in Zahlen umzusetzen. Diese Missachtung unseres Beschlusses ist in keiner Weise vertrauensbildend. Uns missfällt auch, mit welcher Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit Meinungen und Abstimmungen von Gemeinderäten herabgewürdigt werden. Wenn das gemeinsame Projekt Erfolg haben soll, muss sich das ändern! Wir bitten Sie, Herr Kersting, dass Ihrem Donzdorfer Kollegen auszurichten.
Wir werden unseren guten Willen zeigen. Auch wenn der Haushaltsplan des Zweckverbands die Süßener Wünsche nicht berücksichtig und unseres Erachtens auch unrealistische Entwicklungsschritte beschreibt, werden wir unsere Zustimmung nicht verweigern. Sie können aber sicher sein, dass wir auf eine nachhaltige, verantwortliche Entwicklung des Gewerbegebiets achten werden.
Wir halten es für richtig, zunächst den Gewerbepark Lauter anzugehen, um der Nachfrage nach Gewerbeflächen nachzukommen.
Uns ist bewusst, dass unser Beschluss, das zweite Gewerbegebiet IKG Auen zunächst nicht weiterzuverfolgen, die Gingener vor den Kopf gestoßen hat. Es wäre richtiger gewesen, zunächst das Gespräch zu suchen. Das räumen wir gerne selbstkritisch und mit Bedauern ein! Wir stehen auch zur Absichtserklärung, mit Gingen in den Auen die Gewerbeentwicklung „mittel- bis langfristig“ gemeinsam zu gestalten.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Es ist eine Absichtserklärung! Als Bedingung für den Grundstückstausch zum Anschluss der Querspange ist sie in der Vereinbarung zwischen Süßen und Gingen nicht festgelegt. Süßen ist damals kein einziger Quadratmeter geschenkt worden. Gleichwertige Flächen wurden 1:1 getauscht. Und Süßen hat für den Tausch an Gingen 75.000 Euro bezahlt.
Nochmals, wir halten eine gemeinsame Gewerbeentwicklung mit Gingen und den anderen Nachbarkommunen für richtig. Die Frage ist aus unserer Sicht aber, ob wir neben dem Gewerbepark Lautertal jetzt auch noch parallel in das IKG Auen einsteigen sollen.
Macht es nicht Sinn, jetzt erst einmal eine gute Entwicklung der Gewerbeflächen im Lautertal auf den Weg zu bringen? Macht es nicht Sinn, noch eine Fläche für die Zukunft in Reserve zu haben?
Beide interkommunalen Gewerbegebiete müssen gemeinsam gesehen werden. Vor diesem Hintergrund halten wir es auch für sinnvoll, einen Realisierungsplan mit Priorisierungen auf den Weg zu bringen und auch für das IKG Auen eine städtebauliche Rahmenplanung und ein Leitbild zu entwickeln. Insoweit können wir auch Punkt 3 des Verwaltungsvorschlags zustimmen.
In die weitere Diskussion mit den Gingener Kollegen sollten wir offen und zunächst mit der klaren, im September beschlossenen Position gehen, um dann in einer gemeinsamen Sitzung idealerweise einen Kompromiss zu finden, insbesondere was den Zeitplan für das IKG Auen anbetrifft. Zwischen „heute nicht“ und dem Sankt-Nimmerleins-Tag liegt ja viel Zeit. Wir bleiben gesprächsbereit!